SJCC Swiss-Japanese Chamber of Commerce
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Young Professionals/Portraits

Luc Meier

Luc Meier hat Japan hinter sich, doch Japan hat ihn nie ganz verlassen.

© Simon Kneubühl

Der Eintaucher

Mit Luc über Japan sprechen, heisst alle Japanclichées, die wir vor uns hertragen (Hanami! Manga! Sushi! Geishas! Kimono! Sumo!) sofort zu entsorgen und nie mehr darüber nachzudenken. Es ist so, als würden wir die Schweiz immer über Kühe, Schokolade, Uhren definieren. Beides hat mit der Lebenswirklichkeit wenig zu tun.

Luc ist tiefer in Japan eingetaucht als die meisten von uns. Das erste Mal aktiv traf ich ihn in Shinjuku, auf der Westseite des Bahnhofs. Es war wahrscheinlich der Sommer 2007. Ein gemeinsamer Freund war Anlass unseres Treffens. Luc erzählte beim Essen, bei dem ich wohl das erste Mal richtigen japanischen Tofu ass, von seiner früheren Wohngegend rund um Koenji. Dort hätten sich in den 1980er Jahren regelmässig Punks und Aussteiger mit Salary men geprügelt. Ich weiss nicht mehr, was der Anlass der Schlägereien war, in meiner Erinnerung war es ein «Fight Club»-mässiges Bedürfnis nach Gewalt, Ausbruch. Die Geschichte beeindruckte mich nachhaltig, weil sie bereits da viele Japan-Clichées zerstörte.

Doch Luc ist nicht nur Experte für vergangene Schlägereien in Koenji, er hat sich während seiner verschiedenen Stationen in Japan auch ein unvergleichliches Wissen über die japanische Subkultur (oder die Überkultur?) angeeignet. Nördlich und Westlich von Shinjuku gibt es Gegenden, die sind voller japanischer Musiklokale. Unentdecktes Territorium. Luc schrieb für die Genfer Zeitung «Le Courrier» über japanische Musiker (hauptsächlich über die Noise und Improvisation-Bewegungen, über solche Grössen – oder grossen Unbekannten – wie Otomo Yoshihide, Sachiko M, Satanicpornocultshop, Keiji Haino oder Les Rallizes Dénudés) und organisierte später auch für die «Pro Helvetia» Konzerte von Schweizer Experimentalmusikern in Japan.

Er war bereits während der Weltausstellung 2005 in Nagoya in Japan, wo er im Schweizer Pavillon arbeitete (auch dort trafen wir uns wahrscheinlich, aber die Erinnerung ist verblasst). Sein Wissen über Tokio, über Japan nahm er weiter mit nach San Francisco, wo er für die «swissnex» tätig war. «Die amerikanische Westküste ist viel stärker japanisiert als die Schweiz», meinte Luc bei einem Telefongespräch. Das Japanische als Tatsache sei viel selbstverständlicher, weit weg von den Clichées, die in der Schweiz noch vorherrschen. Auch der Einfluss Japans sei über die Zen-Bewegung oder Musiker wie John Cage viel stärker ins kollektive Bewusstsein Kaliforniens eingedrungen als wir das in Europa erfahren. Doch das könnte sich bald ändern.

Mittlerweile ist Luc zurück in der Schweiz, in Lausanne (zusammen mit seiner japanischen Frau Mami). Und wieder hat er mit Japan zu tun, wieder ist es ein interdisziplinäres Projekt. Er ist für das «Under One Roof»-Projekt zuständig, das aus einer architektonischen und programmatischen Perspektive das innere Nebeneinander an der ETH Lausanne (EPFL) von Kunst, Wissenschaft und Technologie zu einem gemeinsamen Äusseren verbinden soll.

Die EPFL hat mit ihrem «Rolex Learning Center» von «SANAA» bereits einen starken japanischen Akzent gesetzt und wird bald einen weiteren setzen: Der japanische Architekt Kengo Kuma wird in Zusammenarbeit mit den Zürchern Holzer Kobler Architekten ein weiteres «japanisches» Gebäude auf den EPFL-Campus stellen. Für das Zusammenspiel von Japan, Internationalität und Schweiz ist Luc genau der Richtige.

*Dieses Portrait wurde im September 2014 publiziert. Weitere Berichte der über 200 Stipendiaten, zu denen auch der Autor und der Fotograf dieses Artikel gehören, finden Sie hier